Aus Anlass einer Konferenz katholischer Bischöfe des Mittelmeerraums hat Papst Franziskus einen eindringlichen Appell gegen Krieg und gegen eine „Rhetorik des Kampfs der Kulturen“ an die Menschen der Region gerichtet. „Die Worte einiger populistischer Redner heute machen mir Angst; sie erinnern an Reden aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die Angst und dann Hass säten“, erklärte das Kirchenoberhaupt am Morgen in Bari. „In Wirklichkeit verleugnen extreme Auffassungen und Fundamentalismen die Würde des Menschen und seine Religionsfreiheit, verursachen einen moralischen Verfall und befeuern eine antagonistische Sicht der menschlichen Beziehungen“, fuhr Franziskus fort. Er forderte eine Kultur des Dialogs. Nur dieser könne helfen, Vorurteile und Klischees zu überwinden. Mit Blick auf den „ungelösten Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern“ warnte er vor der „Gefahr unausgewogener Lösungen“, die „neue Krisen heraufbeschwören“ könne.
Gerechtigkeit ist Voraussetzung für Frieden
Scharf kritisierte Franziskus, dass durch Krieg Ressourcen für den Kauf von Waffen genutzt würden „und sie damit den Vitalfunktionen einer Gesellschaft – der Unterstützung der Familien, des Gesundheitswesens und der Bildung – entzieht“. Es sei wahnsinnig, „Häuser, Brücken, Fabriken, Krankenhäuser zu zerstören, Menschen zu töten und Ressourcen zu vernichten, anstatt menschliche und wirtschaftliche Beziehungen aufzubauen“, zeigte sich der Papst überzeugt. „Es ist ein Irrsinn, mit dem wir uns nicht abfinden dürfen.“
Als unabdingbare Voraussetzung für Frieden sieht Franziskus die Gerechtigkeit. Diese sieht er dort „mit Füßen getreten, wo die Bedürfnisse der Menschen missachtet werden und wo sich einseitige Wirtschaftsinteressen über die Rechte der Einzelnen und der Gemeinschaft hinwegsetzen“. Den Einsatz für das Gemeinwohl sieht Franziskus als „eine andere Bezeichnung für Frieden“. Wie zuletzt in seinem Dokument Querida Amazonia betont Franziskus die enge Beziehung zwischen Verkündigung des Evangeliums und dem Einsatz für das Allgemeingut. Beides könne man nicht voneinander trennen.
Dialog der Religionen als Mittel gegen Hass
Deutlich einmal mehr die Worte des Papstes bei der Verurteilung der „Rhetorik des Kampfes der Kulturen“. „Die Nachlässigkeit oder zumindest die Schwäche der Politik und die Abschottung sind Gründe für Radikalität und Terrorismus“, so die Analyse des Kirchenoberhaupts. Franziskus forderte den Schutz von Minderheiten und der Religionsfreiheit. Der Verfolgung fielen „vor allem – aber nicht ausschließlich – die christlichen Gemeinschaften zum Opfer“.
Der Papst betonte, dass der Dialog nicht nur einen anthropologischen Wert habe, sondern auch einen theologischen. „Dem Bruder zuzuhören ist nicht nur eine Tat der Nächstenliebe, sondern auch eine Art, um dem Geist Gottes Gehör zu schenken“, erklärte Franziskus. Er erinnerte an das „Dokument über die Brüderlichkeit“, das im Februar 2019 in Abu Dhabi unterzeichnet worden war und das betont, dass die wahre Bedeutung der Religionen die sei, zum Frieden beizutragen. „Diejenigen, die sich gemeinsam die Hände schmutzig machen, um Frieden aufzubauen und aufzunehmen, werden sich nicht mehr wegen Glaubensgründen bekämpfen können, sondern sie werden die Wege der respektvollen Begegnung, der gegenseitigen Solidarität, der Suche nach Einheit beschreiten“, so der Papst.
Ursache für Konflikte in falschen Wirtschaftsmodellen
Der Leiter des Jerusalemer Lateinischen Patriarchats, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, fasste die Ergebnisse der fünftägigen Beratungen mit selbstkritischen Worten zusammen. Ursachen vieler Konflikte in der Mittelmeerregion lägen in falschen Wirtschafts- und Entwicklungsmodellen der westlichen Welt. Auch die Kirchen hätten diese verfehlten Modelle mitgetragen. „Heute müssen wir um Vergebung bitten, vor allem dafür, dass wir den jungen Menschen eine verletzte Welt übergeben“, so Pizzaballa. Der Franziskaner betonte, dass die Kirchen im Nahen Osten und Nordafrikas nicht nur wirtschaftliche Unterstützung bräuchten, sondern vor allem Solidarität und Gehör.
Es ist bereits das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass in Bari eine kirchliche Konferenz zu Fragen von Krieg und Frieden, Dialog und Solidarität stattfindet. Im Juli 2018 hatte Franziskus die Leiter der christlichen Kirchen des Nahen Ostens zu einem Krisentreffen in die süditalienische Stadt geladen. Nun waren es die katholischen Bischöfe des Mittelmeerraums, die sich zu Beratungen trafen. Das Treffen steht in der Tradition der Bemühungen des Papstes, die Kultur des Dialogs zwischen den verschiedenen Kirchen zu fördern, aber auch innerhalb der katholischen Kirche. In Zeiten zunehmender Polarisierung und der immer größer werdenden sozialen Herausforderungen rund um das Mittelmeer sind solche Treffen wichtiger denn je.