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Papstbotschaft gegen die Gleichgültigkeit

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„Die Gleichgültigkeit stellt eine Bedrohung für die Menschheit dar“, ist Papst Franziskus überzeugt. Das schreibt er in seiner Botschaft zum katholischen Weltfriedenstag 2016, die heute im Vatikan vorgestellt wurde. Das Kirchenoberhaupt fordert darin eine bessere Integration von Flüchtlingen, die Abschaffung der Todesstrafe sowie einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder. Denen nicht zu helfen, die ihn Not sind, das können Arme, Migranten, Kranke oder Arbeitslose sein, kommt „unterlassener Hilfeleistung“ gleich. So könnte man die Botschaft zusammenfassen. „Die Barmherzigkeit ist das ‚Herz‘ Gottes. Darum muss sie auch das Herz all derer sein, die sich als Glieder der einen großen Familie seiner Kinder erkennen; ein Herz, das überall dort heftig schlägt, wo die Menschenwürde – ein Widerschein von Gottes Angesicht in seinen Geschöpfen – auf dem Spiel steht“, schreibt Franziskus. Auffallend oft zitiert der amtierende Papst seinen Vorgänger Benedikt XVI. Und auch bei der Vorstellung im Vatikan wurde eigens die Kontinuität mit den Vorgängern unterstrichen. Soll hier Kritikern der Wind aus den Segeln genommen werden, die Franziskus zunehmend auf einem eigenen Weg sehen?

Am 18. Dezember wird Papst Franziskus die "Heilige Pforte der Liebe" in einem Obdachlosenheim in Rom öffnen. (Quelle. dpa)

Am 18. Dezember wird Papst Franziskus die „Heilige Pforte der Liebe“ in einem Obdachlosenheim in Rom öffnen. (Quelle. dpa)

Gleichgültigkeit, Brüderlichkeit, Sklaverei – Themen des Papstes

Seit dem 1. Januar 1968 startet die katholische Kirche mit dem Weltfriedenstag ins neue Jahr. Dazu verfassen die Päpste jeweils eigene kurze Botschaften, in denen sie unter einem bestimmten Blickwinkel friedensbedrohende Elemente analysieren und Lösungswege vorschlagen. Denn, so sind die Päpste überzeugt, der Frieden ist „Gabe Gottes und Werk des Menschen“, wie Franziskus in seiner Botschaft schreibt. Immer wieder betonte er, wie zuletzt beim Treffen mit Jugendlichen in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik Bangui Ende November: „Der Friede ist eine ‚handwerkliche‘ Arbeit, die man selbst macht, mit den eigenen Händen, mit dem eigenen Leben.“ In den vergangenen beiden Jahren hatte Franziskus die Themen „Brüderlichkeit“ (2014) und „Sklaverei“ (2015) in den Mittelpunkt seiner Friedensbotschaften gestellt. Dieses Jahr ist es die „Gleichgültigkeit“.

Sie gehört wie die beiden anderen Themen zu den Lieblingsmotiven des Kirchenoberhaupts. Bei der ersten Reise in seinem Pontifikat Anfang Juli 2013 auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa kritisiert er zum ersten Mal scharf das Verhalten gegenüber dem Schicksal derer, die am Rande der Gesellschaft stehen: „Wir sehen den halbtoten Bruder am Straßenrand, vielleicht denken wir „Der Arme“ und gehen auf unserem Weg weiter; es ist nicht unsere Aufgabe; und damit beruhigen wir uns selbst und fühlen uns in Ordnung. Die Wohlstandskultur, die uns dazu bringt, an uns selbst zu denken, macht uns unempfindlich gegen die Schreie der anderen; sie lässt uns in Seifenblasen leben, die schön, aber nichts sind, die eine Illusion des Nichtigen, des Flüchtigen sind, die zur Gleichgültigkeit gegenüber den anderen führen, ja zur Globalisierung der Gleichgültigkeit.“ In Evangelii gaudium taucht die Kritik genauso wieder auf (vgl. EG 54, 61, 203, 208, 276) wie in der Enzyklika Laudato si (vgl. LS 14, 25, 52, 91f, 232, 246).

Franziskus lobt und sieht Zeichen der Hoffnung

Auffallend ist, dass Franziskus in seiner Botschaft trotz einer düsteren Analyse der aktuellen Situation, da die Teilnahmslosigkeit gegenüber dem Leid anderer im privaten, gesellschaftlichen und staatlichen Bereich besorgniserregend zunehme, eine ganze Reihe von „Gründen zur Hoffnung“ anführt. Dazu zählt er das am Klimaabkommen von Paris, die NGOs und caritativen Gruppen „in und außerhalb der Kirche“, die bereits jetzt in Notsituationen helfen, sowie Familien, die sich bemühten, „inmitten zahlreicher sozialer und arbeitsbezogener Schwierigkeiten konkret und um den Preis vieler Opfer, ihre Kinder ‚gegen den Strom‘ zu den Werten der Solidarität, des Mitgefühls und der Geschwisterlichkeit zu erziehen“.

Abschließend mahnt Franziskus zu einer besseren Integration von Flüchtlingen. Entsprechend müssten die Gesetzgebungen überprüft werden, ob sie „in der Achtung der wechselseitigen Pflichten und Verantwortungen  von Aufnahmebereitschaft geprägt sind und die Integration der Migranten vereinfachen können“. Dabei müsse den Aufenthaltsbedingungen eine besondere Aufmerksamkeit gelten, „wenn man bedenkt, dass das Leben im Untergrund die Gefahr birgt, sie in die Kriminalität zu ziehen“.

Papst will Kirche auf „barmherzig“ trimmen

Es sind also viele bekannte Positionen, die Franziskus in diese Botschaft packt. Etwa auch die Forderung nach „Arbeit, Land und Wohnung“ für alle. Er kritisiert die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt und ungerechte Löhne. Er macht das nicht aus einer rein politischen Motivation heraus; sondern für ihn ist das die Konsequenz aus der Botschaft des Jesus von Nazareth. Und entsprechend will er seine Kirche auf „barmherzig“ trimmen. In seinen Worten klingt das dann so: „Darum ist es ‚entscheidend für die Kirche und für die Glaubwürdigkeit ihrer Verkündigung, dass sie in erster Person die Barmherzigkeit lebt und bezeugt! Ihre Sprache und ihre Gesten müssen die Barmherzigkeit vermitteln und so in die Herzen der Menschen eindringen und sie herausfordern, den Weg zurück zum Vater einzuschlagen. Die erste Wahrheit der Kirche ist die Liebe Christi. Die Kirche macht sich zur Dienerin und Mittlerin dieser Liebe, die bis zur Vergebung und zur Selbsthingabe führt. Wo also die Kirche gegenwärtig ist, dort muss auch die Barmherzigkeit des Vaters sichtbar werden. In unseren Pfarreien, Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen, d.h. überall wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können.‘“*

P.S. Einen kleinen Seitenhieb gegenüber den Medien kann sich das Papier in Zeiten von Vatilekas2 nicht verkneifen. Einerseits wird die positive Rolle der „sozialen Kommunikationsmittel“, wie das im vatikanischen Jargon so schön heißt, unterstrichen, wenn sie die Öffentlichkeit über „schwierige Situationen informieren, die an die gewissen appellieren“. Andererseits werden die Medien ermahnt, „sich in den Dienst der Wahrheit und nicht der Partikularinteressen zu stellen“. Und dann schreibt Franziskus: „Die Kulturanbieter und die Betreiber der Medien müssten auch darüber wachen, dass die Weise, wie die Informationen erhalten und verbreitet werden, immer rechtlich und moralisch zulässig ist.“

P.P.S. Der Moneyval-Ausschuss des Europarats hat den Vatikan zu konkreten Schritten gegen Geldwäsche aufgefordert. Zwar bescheinigt Moneyval dem Vatikan große Fortschritte bei der Schaffung der rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen im Kampf gegen Geldwäsche und illegale Finanzgeschäfte. Zugleich gebe es aber noch große Defizite bei der praktischen Umsetzung. „Alles in allem müssen die eingeführten juristischen Strukturen, die Geldwäsche verhindern und verfolgen sollen, jetzt auch tatsächliche Resultate liefern“, heißt es im zweiten Fortschrittsbericht des Europaratsausschusses, in dem die vom Vatikan in den letzten Jahren ergriffenen Maßnahmen evaluiert wurden. So ist dem Bericht zufolge von den insgesamt 29 im Vatikan eröffneten Verfahren wegen Geldwäsche keins zur Anklage oder zum Prozess gebracht worden. Der Europaratsausschuss Moneyval ist für die Kontrolle von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zuständig.

* Franziskus zitiert hier die Verkündigungsbulle des Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit Misericordiae vultus.


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