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Franziskus trifft Kyrill

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Erneut ist Franziskus eine Überraschung gelungen. Der Papst trifft am kommenden Freitag den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill. Seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, arbeitet der Vatikan auf ein solches Treffen hin. Bisher hieß es immer aus Moskau, die Zeit sei noch nicht reif für ein Treffen. Meist wurden kirchenpolitische Gründe angeführt, warum es noch nicht klappt. Jetzt scheinen aber vor allem die geopolitischen Herausforderungen so groß zu sein, dass Kyrill einem Treffen zustimmte. Auch die innerorthodoxe Großwetterlage dürfte dazu beigetragen haben. Es wird ein historisches Treffen nächsten Freitag auf dem Internationalen Flughafen der kubanischen Hauptstadt Havanna. Erstmals treffen sich die Oberhäupter der römisch katholischen Kirche und der russisch-orthodoxen Kirche. Laut Vatikanangaben dauert das Treffen rund drei Stunden.

Am 12. februar werden sich Franziskus und Kyrill erstmals begegnen. Das Treffen ist das Ergebnis langer und zäher Vorbereitungen. (Quelle: ap)

Am 12. Februar werden sich Papst Franziskus und Patriarch Kyrill erstmals begegnen. Das Treffen ist das Ergebnis langer und zäher Vorbereitungen. (Quelle: ap)

Treffen nach langer Vorbereitung

Die Choreografie gleicht eigentlich eher einem politischen Krisentreffen. Ein Flughafengebäude gibt den Rahmen für ein kirchenpolitisch historisches Ereignis. Doch auf das Setting kommt es den beiden Kirchenführern offensichtlich nicht an. Die Lage scheint so dringlich, dass der Ort zweitrangig wird und auch die von der russischen Seite immer ins Feld geführten Argumente gegen ein Treffen nicht mehr zählen. Noch Mitte Januar wurde der Außenamtssprecher des russischen Patriarchats, Metropolit Hilarion, mit den Worten zitiert, die Zeit sei noch nicht reif für ein Treffen. Es sei notwendig, in den zentralen Fragen der Beziehungen zwischen den beiden Kirchen vorab Übereinstimmung zu erzielen. Heute war es eben jener Hilarion, der in Moskau zeitgleich zum Vatikanpressesprecher Federico Lombardi im Vatikan die historische Begegnung ankündigte.

Nun ist das Treffen nicht erst in den vergangenen zwei Wochen vorbereitet worden. Es ist das Ergebnis eines jahrelangen kontinuierlichen Dialogs zwischen dem Vatikan und dem russisch-orthodoxen Patriarchat. Zahlreiche Begegnungen zwischen den Kardinälen Kurt Koch und Walter Kasper, flankiert durch Gespräche des Wiener Kardinals Christoph Schönborn und einiger anderer, haben in den vergangenen Jahren beständig das Vertrauen zwischen beiden Seiten wachsen lassen. In diesem Prozess konnten einige Punkte geklärt werden, die die russische Seite immer wieder als Hindernis angeführt hatte. Dazu gehört etwa der Vorwurf Moskaus, die katholische Kirche betreibe in den traditionell russisch-orthodoxen Gebieten Proselytismus. Hier erklärte Hilarion jüngst, dass dies ein Problem von vor 15 Jahren gewesen sei, aber heute nicht mehr bestehe. Die Beziehungen mit der katholischen Kirche des lateinischen Ritus in Russland, in Weißrussland, Kasachstan und anderen Ländern entwickelten sich „im Geist der konstruktiven Zusammenarbeit“.

Wie schwierig die Beziehungen sind, hat sich bei den letzten beiden Synoden gezeigt. Traditionell sind dazu Vertreter der anderen christlichen Kirchen als Beobachter eingeladen und halten auch eine Rede. Bei beiden Synoden wurde einzig der Vortrag Hilarions nicht vom Vatikan veröffentlicht. Rom hatte kein Interesse, die Vorwürfe und Polemik des Metropoliten unter anderem gegenüber der ukrainisch-katholischen Kirche und den Protestanten zu verbreiten. Anwesende hatten in beiden Fällen die Wortwahl und Argumentation Hilarions als unangemessen bezeichnet.

Warum jetzt ein Treffen?

Was hat zum Sinneswandel in Moskau geführt? Eines der größten Hindernisse war bisher aus russischer Sicht die ukrainisch-katholische Kirche. Daran hat sich auch jetzt nichts geändert, sagte heute Metropolit Hilarion. Trotzdem wird es das Treffen geben. Der russische Außenamtschef nannte heute den „Genozid“ an Christen im Nahen Osten, Teilen Afrikas und einigen anderen Regionen als Grund. „In dieser tragischen Situation müssen Meinungsverschiedenheiten beiseite gelassen und gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, um das Christentum in diesen Regionen zu beschützen“, so Hilarion. Daher werde die Christenverfolgung ein zentrales Thema bei dem Treffen sein. Nach Angaben des Vatikans werden Papst und Patriarch knapp zwei Stunden Zeit für ein „privates Treffen“ haben. Daran werden von russisch-orthodoxer Seite Metropolit Hilarion und von katholischer Seite Kardinal Kurt Koch teilnehmen. Anschließend werden Franziskus und Kyrill eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen und jeweils eine kurze spontane Rede halten.

Dass ein Treffen von Papst und Patriarch weder in Rom noch in Moskau stattfinden kann, war seit langer Zeit klar. Immer wieder wurden Orte wie Wien, Ravenna oder Kreta genannt. Doch Patriarch Kyrill war es nach Aussage von Hilarion wichtig, dass das Treffen außerhalb Europas stattfindet, „weil die schwierige Geschichte der Teilung und der Konflikte unter den Christen mit Europa verbunden ist“. So traf es sich gut, dass Kyrill ab dem 11. Februar eine mehrtägige Reise durch Lateinamerika auf Kuba startet und Franziskus am Tag danach in Richtung Mexiko aufbricht. Franziskus fliegt fünf Stunden früher in Rom los und hat damit Zeit für den Zwischenstopp auf Kuba.

Bei einer der fliegenden Pressekonferenzen hatte Papst Franziskus Ende November 2014 auf dem Rückweg von Istanbul gesagt: „Ich habe Patriarch Kyrill zu verstehen gegeben – und er ist einverstanden –, dass der Wille zu einer Begegnung besteht. Ich habe ihm gesagt: ‚Ich komme dorthin, wo du willst. Ruf mich, und ich komme‘; und dasselbe will auch er.“ Franziskus, der Papst des Dialogs und der Begegnung. Der Preis dafür, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, war die große Zurückhaltung des Vatikans und vor allem des Papstes im Ukrainekonflikt, die von vielen griechisch-katholischen in der Ukraine in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert wurde.

Treffen mit vielen Chancen

Nun kommt das Treffen. Kirchenpolitisch steckt darin eine große Chance. Ob es auch politische Auswirkungen haben kann, muss sich zeigen. Patriarch und Präsident arbeiten in Russland eng zusammen. Das Land kämpft mit einem internationalen Wirtschaftsembargo. Dazu kommen die neuen Spannungen zwischen Ost und West. Da könnte auch ein Papst vermitteln, der zu vielen einen guten Draht hat. Immer wieder suchte die russisch-orthodoxe Kirche in den letzten Jahren einen politischen Schulterschluss mit dem Heiligen Stuhl. Der ist allerdings sehr vorsichtig; denn man will sich nicht vor jeden Karren spannen lassen.

Für Kyrill ist das Treffen mit dem Papst innerkirchlich nicht ganz einfach. Denn gerade im einfachen Klerus gibt es große Vorbehalte gegenüber der katholischen Kirche und der Ökumene. Seit sieben Jahren im Amt sieht Kyrill aber seine Stellung als so gefestigt an, dass er den Schritt wagen kann. Vor seiner Wahl zum Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche war er Außenamtschef und führte viele Gespräche im Vatikan. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ein Treffen sicher schon längst stattgefunden. Denn in Moskau hat man aufmerksam beobachtet, wie der Heilig Stuhl in den letzten Jahren die Beziehungen zu vielen orthodoxen Kirchen vertieft hat. Vor allem das sehr gute Verhältnis zum ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., den Franziskus vergangenes Jahr gar in seiner Ökologieenzyklika zitierte, hinterließ Spuren.

Jetzt das Treffen in Kuba, Ende Oktober das Reformationsgedenken mit den Lutheranern in Lund – und das dürften nicht die einzigen Akzente sein, die der Papst 2016 in dieser Richtung setzten wird, dem Jahr der Ökumene.


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