„Endlich!“ rief Papst Franziskus dem russisch-orthodoxen Patriarchen zu, als er ihn heute Nachmittag Ortszeit auf dem Flughafen von Havanna sah und fügte hinzu „Somo hermanos – wir sind Brüder“. Es folgte eine herzliche Umarmung. Künftig werden die Dinge einfacher sein, zeigte sich Patriarch Kyrill schon zu Beginn des Treffens überzeugt. Zwei Stunden sprachen die Kirchenführer hinter verschlossenen Türen. Es sei ein brüderlicher und freier Dialog gewesen, erklärte Franziskus nachher gegenüber Journalisten. Die beiden Kirchenoberhäupter unterzeichneten abschließend eine gemeinsame Erklärung. Darin machen sie deutlich, dass sie trotz „zahlreicher Hindernisse“ die noch andauerten, gewillt sind, künftig enger zusammenzuarbeiten. Eindringlich warnen sie vor einem neuen Weltkrieg.
Ukraine und Nahost wichtige Themen
Die Erklärung ist in einem versöhnlichen Ton gehalten. Man spürt, dass jegliche Polemik und gegenseitige Angriffe vermieden werden sollen. Die Befindlichkeiten des jeweils anderen werden wahrgenommen. Wenn es etwa zur schwierigen Frage der Unierten heißt, dass der Uniatismus heute kein Weg zur Einheit mehr sei; zugleich aber auch betont wird, „Orthodoxe und Griechisch-Katholische haben es nötig, sich miteinander zu versöhnen und Formen des Zusammenlebens zu finden, die beiderseitig annehmbar sind“. Damit wurde für eines der schwierigsten Themen im Verhältnis zwischen Rom und Moskau eine einvernehmliche Sprachregelung gefunden. Moskau sieht die unierten Kirchen, vor allem in der Ukraine kritisch. Auch beim Thema Proselytismus nimmt Rom die Sorgen Moskaus ernst. Gemeinsam werden „unlautere Mittel“, um Gläubige zum Kirchenübertritt zu bewegen, abgelehnt.
Kritik wird es sicherlich geben an den Passagen über den Ukrainekonflikt. Zwar werden alle Konfliktparteien „zur Besonnenheit, zur sozialen Solidarität und zum Handeln, um den Frieden aufzubauen“ eingeladen, doch die Katholiken in der Ukraine hätten sich sicherlich eine klare Verurteilung des Handelns Russlands auf ukrainischem Territorium gewünscht. Immerhin konnte man sich zu einer Selbstverpflichtung durchringen, dass die Kirchen sich in der Auseinandersetzung enthalten sollten. Was das konkret bedeutet, bleibt Interpretation, und wird auf künftig gegenseitige Vorwürfe der Kirchen über unberechtigte politische Einflussnahmen nicht verhindern.
Breiten Raum nimmt die Sorge um die Christen im Nahen Osten und Teilen Afrikas ein, die unter Verfolgung leiden. Papst und Patriarch fordern die internationale Gemeinschaft auf, „dringend zu handeln, um eine weitere Vertreibung der Christen im Nahen Osten zuvorzukommen“, ohne dabei die Leiden von Angehörigen anderer Religion zu vergessen. Dem Terrorismus soll „mit Hilfe von gemeinsamen, vereinten und abgestimmten Aktionen ein Ende gesetzt werden“. Das ist ganz die Linie des Heiligen Stuhls, der sich stets gegen Alleingänge einzelner Staaten ausspricht. Wer will, kann hier eventuell eine Kritik am aktuellen Vorgehen Russlands in Syrien sehen.
Papst: Erklärung ist pastorales Papier
Franziskus erklärte im Anschluss an das Treffen gegenüber mitreisenden Journalisten auf dem Weg von Kuba nach Mexiko, bei der Erklärung handle es sich weder um eine politisches noch um ein soziologisches Papier, sondern um ein pastorales. So unterstreichen darin beide Seiten die Bedeutung der Familie, die auf der Beziehung von Mann und Frau gründe, und „bedauern, dass andere Formen des Zusammenlebens mittlerweile auf die gleiche Stufe der Verbindung gestellt werden“. Scharf wird der Respekt des „unveräußerlichen Rechts auf Leben“ eingefordert. „Das Blut der ungeborenen Kinder schreit zu Gott“, heißt es mit Verweis auf die Bibel.
Franziskus dürfte es ein besonderes Anliegen gewesen sein, das Thema Migranten und Flüchtlinge aufzunehmen, während wohl eher die orthodoxe Seite die Kritik an einer Diskriminierung der Christen durch Vertreter eines „sehr aggressiven Säkularismus“ im Papier haben wollte. Zwar erinnert die Formulierung an manche Worte von Benedikt XVI., doch vertritt der Heilige Stuhl unter Franziskus diese Position nicht mehr so dezidiert. Positiv aufhorchen lässt, dass beide Seiten den interreligiösen Dialog „unerlässlich halten“ und den Wert der Religionsfreiheit bekräftigen.
Erinnerung an gemeinsame Wurzeln
Zu Beginn der Erklärung erinnern Papst und Patriarch an die „gemeinsame Tradition des ersten Jahrtausends der Christenheit“ und bedauern den Verlust der Einheit. Es ist von Wunden durch „Konflikte in ferner und naher Vergangenheit“ die Rede. Doch die beiden Kirchenoberhäupter kommen zu dem Schluss: „Wir sind nicht Konkurrenten, sondern Geschwister, und von dieser Vorstellung müssen alle unsere wechselseitigen Unternehmungen wie die gegenüber der Außenwelt geleitet sein.“ Orthodoxe und Katholiken müssten lernen, in Bereichen, in denen es möglich sei, ein einmütiges Zeugnis für die Wahrheit zu geben.
Mit dem Treffen in Havanna dürfte der Knoten gelöst sein. Nun müssen sich die Inhalte der gemeinsamen Erklärung im Alltag bewähren. Die Früchte des heutigen Treffens werden sich sicherlich erst langsam entfalten. Beide Seiten dürften aber heute gemerkt haben, dass auch bei Differenzen der Weg des Dialogs möglich ist.
Was sonst noch geschah am ersten Tag der 12. Auslandsreise heute in einigen Bildern:



















