Es ist ein Grund zum Feiern, der 100. Katholikentag. Und dennoch gab es beim Start des Katholikentreffens in Leipzig viele nachdenkliche Töne. „Unsere deutsche und die europäische Demokratie sind in Gefahr“, so der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff in seiner Ansprache beim Festakt zum Jubiläum am Mittwochnachmittag. Ähnlich äußerte sich der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Dem Staat, der sich seine Voraussetzungen nicht selbst schaffe, müssten immer wieder über eine Art „Bluttransfusion“ Werte zugeführt werden. Dabei spielten die 99 Katholikentage in der Vergangenheit immer wieder eine entscheidende Rolle. Angesichts der Situation Europas heute, sieht Wolf hier eine entscheidende Aufgabe für die Katholikentage in der Zukunft. Für eine kleine Premiere sorgte Papst Franziskus. Erstmals kam die Papstbotschaft zum Katholikentag per Video. Franziskus sprach Deutsch. Er rief zu einem friedlichen Miteinander, Solidarität mit Alten, Kranken und Flüchtlingen sowie zu größerem Umweltbewusstsein auf. „Es ist nicht das Machen oder der äußere Erfolg, der zählt, sondern die Fähigkeit, stehen zu bleiben, hinzuschauen, aufmerksam zu sein gegenüber dem Mitmenschen und ihm zu geben, was ihm wirklich fehlt“, sagte Franziskus. Unterdessen droht der Streit um die Haltung der Kirche zur AfD zu eskalieren.
Buntes Treiben
Am Donnerstagnachmittag ging das typische Katholikentagstreiben los. Auf der Kirchenmeile präsentierten sich Verbände, Bistümer und Organisationen. Die ganze Buntheit des Katholischen und Christlichen wird deutlich. Wie immer gibt es Dialogzentren zum Judentum, dem Islam und zur Ökumene. Auf den Podien begannen die Diskussionen. Auch hier ist die Themenvielfalt groß. Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf hatte beim Festakt am Mittwoch davor gewarnt, sich zu verzetteln: „Die erfreuliche Buntheit und der offene Forumscharakter können den Keim der Beliebigkeit in sich tragen. Früher haben Katholikentage nicht selten klare Beschlüsse gefasst und erfolgreich versucht, diese umzusetzen.“ Wolf stellte konkret die Frage, ob der Katholikentag in Leipzig nicht eine Resolution zum Diakonat der Frau verabschieden sollte. Das könnte sogar so kommen. Denn wie schon bei der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am Dienstag und Mittwoch steht auch bei den Diskussionen auf dem Katholikentag das Thema Frauendiakonat ganz oben auf der Agenda, sobald es um innerkirchliche Themen geht.
Flüchtlinge und AfD
Bei den gesellschaftspolitischen Themen bestimmt die Debatte um den Umgang mit Flüchtlingen sowie die damit zusammenhängenden Themen Solidarität, Krieg und Frieden, Armut und Gerechtigkeit sowie der Dialog mit dem Islam die Tagesordnung. Dabei warnten Politiker und Kirchenvertreter vor einer Spaltung der Gesellschaft. Sie riefen zu Solidarität und mehr Miteinander auf. Bundespräsident Joachim Gauck verurteilte das kalkulierte Schüren von Angst und Hysterie und forderte eine klare Abgrenzung von denjenigen, „die mit Ängsten ihr politisches Süppchen kochen, um Hetze zum Normalzustand zu erklären“.
Ein Nebenschauplatz, der immer wieder die Diskussionen überdeckt, ist die Frage nach dem Umgang mit der AfD. Der Katholikentag hatte beschlossen, keine AfD-Politiker zu der Veranstaltung einzuladen. Das hatte schon im Vorfeld für Diskussionen gesorgt. Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, kritisierte bei der Vollversammlung des ZdK am Dienstag den Schritt. Das Gedankengut der AfD finde sich zu Teilen auch unter Katholiken in Pfarreien, so Neher. Die CDU-Politikerin Julia Klöckner, ebenfalls ZdK-Mitglied, warnte gegenüber mehreren Medien: „Man muss sich mit der AfD auseinandersetzen, damit sie keinen Märtyrerstatus erhält.“ Bei der Eröffnungspressekonferenz hatte ZdK-Präsident Thomas Sternberg am Mittwoch noch einmal erklärt, die Podien würden nicht nach einem „Talkshow-Prinzip“ besetzt, um möglichst viele Spitzenvertreter von Parteien einzubinden. Es gehe um konstruktive Dialoge, anstatt den teilweise menschenverachtenden Parolen der AfD eine Bühne zu bieten. „Glauben Sie, wir hätten einen besseren Katholikentag vor uns, wenn irgendwer gegen Frau Petry antritt und wir uns einen Schaukampf liefern?“, so der ZdK-Präsident. Zugleich betonte er, dass man sich mit den Anhängern der AfD sowie deren Sorgen selbstverständlich beschäftigen wolle.
Der bayerische Landesvorsitzende der AfD, Petr Bystron, warf am Donnerstag in einem Artikel der katholischen und evangelischen Kirche vor, über ihre Wohlfahrtsverbände „unter dem Deckmantel der Nächstenliebe“ ein Milliardengeschäft mit der Flüchtlingskrise zu machen. Beide Kirchen hätten aus kommerziellen Gründen ein großes Interesse an weiterer Flüchtlingszuwanderung. Er forderte zugleich „ein Ende der Kirchensubventionierung durch Steuergelder“. Vertreter beider Kirchen wiesen die Aussagen entschieden zurück. „Die christlichen Kirchen in Deutschland haben kurzfristig einen zusätzlichen dreistelligen Millionenbetrag für die Flüchtlingshilfe zur Verfügung gestellt“, sagte der Sprecher der Evangelischen Kirche in Deutschland Carsten Splitt. „Angesichts dieses Kraftakts und des ehrenamtlichen Engagements vieler hunderttausend Menschen“ entbehre die Äußerung Brystons jeglicher Grundlage. Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, erklärte: „Wer so entgleist, schlägt allein 200.000 ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe der Kirchen Tätigen ins Gesicht.“
Leipziger zufrieden
Jenseits dieser politischen Debatten zeigen sich die Leipziger Katholiken schon nach dem ersten Tag zufrieden mit dem Verlauf des Katholikentags – so der Grundtenor bei unserem Dreh in einer Pfarrei am Rande der Stadt am Donnerstagabend. Endlich werden sie wahrgenommen – in der Stadt, aber auch darüber hinaus. Sie sind mit gut vier Prozent sonst eine verschwindend kleine Minderheit. Das stärkt, erklärt Pfarrer Michael Teubner. Christina Ponitka ist überzeugt, dass der Katholikentag auch das Verhältnis zwischen Christen und den Nichtchristen in der Stadt auf Dauer verändern wird. Damit hätte der Katholikentag den Gläubigen in der Stadt und wohl auch im Bistum Dresden-Meißen einen großen Dienst erwiesen.